Gute Verdichtung

Montag, 25. August 2025, Erlacherhof, Bern

Moderation:
Peter Burkhalter, Vizepräsident

Auf dem Podium:
Carine Bachmann, Direktorin des BAK
Oliver Martin, Leiter Baukultur des BAK

Weitere Podiumsteilnehmer:
Andrea Gmür-Schönenberger, Ständerätin
Bernhard Lanzendörfer, Saint-Gobain
Enrico Slongo, Stadtarchitekt Fribourg
Gabriela Theus,
CEO Immofonds Asset Management AG

Seit einigen Jahren ist die Zehn-Millionen-Schweiz in der öffentlichen Wahrnehmung bereits ein Thema. Für die einen wäre das Erreichen dieser historischen Bevölkerungsmarke eine grosse Chance auf dem Weg zu einer weiteren Öffnung unseres Landes – für die anderen käme dies einer heillosen Überforderung der bisherigen Strukturen gleich. Nicht gross thematisiert wurde bisher jedoch die Frage, ob eine solche Schweiz auch entstehen könnte, ohne die baukulturellen Qualitäten der Städte und Dörfer zu minimieren und ihre optische Identität zu gefährden.

Ein Steilpass für den Club Politique, diesen Komplex als Diskussionsgrundlage am traditionellen Sommer-Event im Erlacherhof unter dem Titel «Gute Verdichtung – ISOS» aufzunehmen. BAK-Direktor Carine Bachmann stellte in ihrem Impulsreferat das namensgebende Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung, kurz ISOS, eingangs vor.

Dieses nach wissenschaftlichen Methoden in den 1970er-Jahren entwickelte und nun auch digital verfügbare Instrument sei eine Meisterleistung, um die uns das Ausland beneide. «Die Zeugnisse unserer Geschichte müssen geschützt werden, damit wir in dieser verortet bleiben», so Bachmann. Bei seiner Schutztätigkeit sei das ISOS mehr als nur eine sinnvolle Richtschnur. Ohne staatliche Steuerung und Korrektur drohe die Vernachlässigung der Optik. «Es braucht eine von oben verordnete Durchsetzung dieser Pflege. Würde der Ortsbildschutz wegfallen, könnte man zwar billiger bauen. Das würde aber unserem Wohlbefinden schaden.»

Gemäss Bachmann müsse man sich stets fragen, ob das ISOS zu einer qualitätsvollen Verdichtung beitrage oder nicht eher notwendige Entwicklungen hemme. Und ob es im Einklang mit notwendigen Veränderungen im Zeichen des Klimawandels, der soziokulturellen Durchmischung und der Dekarbonisierung stehe. Die Tabula-Rasa-Zeiten seien vorbei und deshalb müsse heute manchmal auch ein Projekt verhindert werden, um den Schutz eines Ortsbildes zu gewährleisten.

In seinen Ergänzungen zu Bachmann hielt Oliver Martin, Leiter Baukultur BAK, zum ISOS fest, dass diesem vor allem die Rolle der Entwicklungslenkung zukomme. Eine im Mittelalter entstandene Stadt wie das thurgauische Diessenhofen könne dabei gleich viel wert sein wie eine homogene Siedlung aus den 1950er-Jahren. Das ISOS wolle nichts in einem nostalgischen Sinn tieffrieren. Manches könne nicht verdichtet und müsse im Ganzen geschützt werden.

Club-Vizepräsident Peter Burkhalter beschrieb als Moderator des Abends den Einsatz des ISOS treffend als einen Balanceakt der Interessenabwägungen. Unter seiner Leitung diskutierten Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger, Gabriela Theus, CEO Immofonds Asset Management AG, der Freiburger Stadtarchitekt Enrico Slongo und Bernhard Lanzendörfer vom Baustoffhersteller Saint-Gobain.

In einem waren sich die verschiedenen Interessenvertreterinnen und -Vertreter nebst allen Differenzen einig: Massgebend sei am Schluss die vollständige Unabhängigkeit jeder Beurteilung eines Bauprojektes. Und mit Blick auf die nahe Umgebung des Club-Abends hielt Enrico Slongo pointiert fest, dass die «schrecklichen Dinge» meistens nicht im Stadtkern selber, sondern in der Agglomeration entstünden. Diese Brüche in den Ortsbildern seien es, die unsere Identität wirklich gefährdeten.