Jubiläumsanlass Teil 1:
«Stärkt oder schwächt die Transparenz die private Finanzierung der Parteien?»
Montag, 6. März 2023, Hotel Schweizerhof, Bern
Moderation:
Dr. René Buholzer, Mitglied des Vorstands
Auf dem Podium:
Dr. Hilmar Gernet, Disseration “Vom Geld der Parteien”, 2008
Dr. Martin Hilti, Direktor Transparency International
Präsentation der Studie:
Prof. Adrian Vatter vom Büro Vatter in Bern
Dr. Christian Bolliger (Studienleiter)
Die Studie:
STUDIE _ Wirtschaft_Politik_Politikfinanzierung_20230302 (2)
(Die Zusammenfassung erfolgt unter Chatham House Rules)
Dr. René Buholzer begrüsst die Mitglieder des Club Politique zur ersten Jubiläumsveranstaltung im 10. Jahr des Clubs. Der Abend steht ganz im Zeichen des gemeinnützigen Auftrags des Clubs – in einer vertieften empirischen Studie hat das Büro Vatter für den Club Politique die Frage der Parteienfinanzierung unter die Lupe genommen. Die Studie wurde der Öffentlichkeit am Nachmittag präsentiert und ist in zahlreichen Medien aufgenommen worden. Der Clubabend ist einer vertieften Diskussion der Studie mit den Clubmitgliedern gewidmet.
Einen ersten Überblick gibt Prof. Adrian Vatter. Er spricht von einer kleinen Revolution, die mit der Transparenzregel für die Parteienfinanzierung geschaffen wurde – eine Modernisierung, die angesichts der Sonderstellung der Schweiz nicht überrascht. Die private Finanzierung ist in der Schweiz nach wie vor aussergewöhnlich hoch, insbesondere im internationalen Vergleich. In Österreich erhalten politische Parteien vergleichsweise zehnmal mehr Mittel als die Parteien in der Schweiz – ausserdem sind diese staatlich, nicht privat.
Die Schweiz, ein Sonderfall der Parteienfinanzierung
Dr. Christian Bolliger betont, dass es noch keine harten Fakten zu den Auswirkungen gibt – aber es gibt bereits heute die Möglichkeit, einige Einschätzungen der Experten zusammenzufassen und erste Schlussfolgerungen zu ziehen. Die grosse Relevanz liegt in die Frage, ob die Entwicklung der Finanzierung einen negativen Einfluss auf die Mittelausstattung der Parteien hat – denn dies könnte ja dann auch die Qualität des Parteienwettbewerbs und damit derPolitik beeinflussen.
Transparenz und ihre Folgen
Bolliger rechnet aufgrund der Umfragen bei Experten mit einem Rückgang der Spenden – vor allem bei privaten Spendern, nicht so sehr bei den Firmenspenden. Die Parteien sind einigermassen gelassen, da die privaten Spender bereits heute einen kleinen Teil der Spenden ausmachen. Der zusätzliche Aufwand für die Umsetzung der Transparenzregeln wird von den bürgerlichen Parteien kritisiert.
Für Bolliger und Vatter ist der Rückgang der Parteispenden in der Bilanz trotz dem moderaten Rückgang ein grosses Fragezeichen: Denn schon ein kleiner Rückgang trifft die Parteien – angesichts ihrer bescheidenen Mittelausstattung – beim wunden Punkt der Qualitätsarbeit. Es gibt unterschiedliche Szenarien: eine Stärkung der staatlichen Parteienfinanzierung – oder einen entsprechenden Mix. Ein Wunschszenario vieler Politiker und Experten ist eine Renaissance des Stolzes der Parteispende: “Ich spende und bin stolz darauf”.
Einige Thesen aus der Diskussion mit den Gästen und dem Publikum:
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Die Frage der Parteienfinanzierung ist vor allem deshalb relevant, weil eine andere intransparente Lösung für eine moderne Demokratie auch nicht mehr vertretbar sei.
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Geklärt werden konnte im Verlauf der Diskussion auch die Frage nach möglichen Super Pacs – die neue Regelung sagt klar, dass der wirtschaftliche Zuwender offen gelegt werden muss, wenn der Zweck des PAC allein die Parteifinanzierung ist. Deshalb einigen sich Umgehungen über Stiftungen oder anderen Konstruktionen nur bedingt zur Verdunkelung.
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Das politische Milizsystem krankt an einer falschen Wahrnehmung: Wir loben unser System bei jeder Gelegenheit, aber wir sind als Gesellschaft nicht bereit, diesen Wert auch zu bezahlen. Vermutlich wird sich ein neues Modell etablieren – ein Drittel aus Mitgliederbeiträgen, ein Drittel aus Spenden von Firmen und ein Drittel vom Staat. Bei Kampagnen hingegen darf der Staat nicht finanzieren.
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Es stellt sich auch die Frage, wie man Parteien motivieren kann, mehr Geld selbst zu sammeln. Der staatliche Beitrag sollte so ausgestaltet sein, dass die Sammlungsbereitschaft der Parteien incentiviert ist.
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Parteien fahren Seifenkisten, die Verwaltung fährt einen Rolls Royce. Aus demokratiepolitischer Sicht müsstendie Parteistrukturen gestärkt werden, erfüllen doch Parteien wichtige demokratische Funktion (wie die Rekrutierungsfunktion).
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Die grossen Fragestellungen kommen nicht mit der jährlichen Finanzierung – sondern vor allem mit den Wahlkampfbudgets und den Abstimmungsbudgets.
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Am Ende ist die Frage der Finanzierung auch eine Diskussion um die Gerechtigkeit der Ressourcenverteilung – wer viel Mittel hat, hat auch viel Macht.
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Die Verfügbarkeit grosser Mittel ist nicht ein Garant für eine bessere Demokratie.
Die Diskussion im Club löste grosse Emotionen aus: Wo soll die Schweiz hingehen? Wie gross ist der kulturelle Impact der Transparenz – denn das Parteiensystem der Schweiz und auch die Finanzierung sind Grundfesten des Systems.